9. Büchernacht
Eine Hommage ans Dorfleben
Pressebericht zur Büchernacht aus den Schleswiger Nachrichten vom 24.06.19
Autorin Andrea Paluch war der Star-Gast der neunten Schleswiger Büchernacht
Manchmal kommt alles ganz anders als gedacht. Als Andrea Paluch vor vielen Jahren die Stadt gegen ein Dorf bei Flensburg eintauschte, fand sie sich wieder in einer Welt, die sie nicht verstand. Und als eine Fremde mit Sinn für das Skurrile und der Gabe der genauen Beobachtung machte sie dann ein Buch daraus. Am Sonnabend bei der 9. Büchernacht las Paluch nun in Schleswig aus „Wundervolles Dorfleben“ vor.
Schon bevor sie als Hauptleserin ans Mikrofon trat, war die Bücherei gut gefüllt. Am Ende kamen rund 230 Besucher zu der Veranstaltung – so viele wie lange nicht. Eingeladen hatte erneut der Bücherei-Förderverein „Alibris“. Diesmal stand der Abend unter dem Motto „Lieblings-Lektiere“. So waren alle Vorleserinnen und Vorleser aufgerufen, Textpassagen, in denen Tiere eine Hauptrolle spielen, vorzutragen.
Und die gibt es auf dem Dorf zu Genüge, wie auch Andrea Paluch aus eigener Erfahrung weiß. „Wir haben gar nicht gewusst, wie neu wir damals in diesem Dorf waren. Aber wir haben es schnell gemerkt“, erinnerte sie sich. In vielen kleinen Textausschnitten berichtete sie dann über ihr ständiges Erstaunen, über Missverständnisse, kleine und große Dramen und einen ganz neuen Alltag im Dorf, an den sie sich erstmal gewöhnen musste. Da geht es auf einmal um Sickergruben und Handwerker, die plötzlich ganz wörtlich genommen unter Strom stehen. Um gastronomische Betriebe, die selbstverständlich „Dorfkrug“ heißen und ebenso selbstverständlich hauptsächlich Fleisch mit Soße servieren. Oder um die vielen Vereine auf dem Land, von Feuerwehr bis Dorfjugend, die den neu angekommenen Städter mit ihren Traditionen und Gepflogenheiten gründlich verblüffen. „Ich hatte einen ganz privilegierten Beobachterstatus und bald einen Fundus an Geschichten“, so Paluch.
Immer wieder gab es etwas zu lachen, denn Paluch schaffte schnell eine Verbindung zu ihren Zuhörern. Häufig schien es, als spräche sie einigen aus dem Herzen, die selbst einmal ähnliches erlebt haben. Zur bunten Palette der Themen gehörten Rummelpottlaufen, Streitigkeiten und Ärger wegen Pferdeäpfeln auf den Straßen oder auch nicht endende Völlereien an der Kaffeetafel. „Fressorgien bei den Buddenbrooks waren nichts dagegen“, befand die Autorin.
Besonders eindrücklich aber waren die Gedanken, die Paluch vom Dorf in die Ferne oder ins Hier und Jetzt schweifen ließen. Die veränderte Perspektive durch die Nähe zur Bundesgrenze oder die eingedeichte Weite bis endlich das Meer kommt. Oder das Geräusch der Gras rupfenden Pferde.
„Wir hatten immer dieses Gefühl wie nach einer Zeitumstellung“, beschrieb Paluch ihr Erleben im Dorf. Dass dies keineswegs negativ gemeint ist, machte sie deutlich, insbesondere mit Blick auf die eigenen Kinder, die in einer für sie idealen Umgebung aufwachsen konnten. So klang es versöhnlich, als Paluch sagte: „Wir wohnten da, weil es toll war. Das Dorf war für eine Phase unseres Lebens optimal.“
Live-Musik rundete den gelungenen Abend, der die Gäste bis nach Mitternacht bei Laune hielt, ab. Jens Robbers, Popularmusiker in der Nordkirche, spielte Jazz, Rock und Passendes aus dem Dschungelbuch.
Autor/in: Jan C. Weck
Quelle: Schleswiger Nachrichten